Narrative Medizin - die Sicht der Patientenvertreterin

Anna Faccin im Interview mit dem Team des Dachverbandes

Anna

Anna Faccin, Vorstandsmitglied im Ausschuss des Dachverbandes ist auch Präsidentin des Vereins DEBRA Südtirol – Alto Adige. Der Verein hilft seit dem Gründungsjahr 2004 Menschen mit der angeborenen Hauterkrankung „Epidermolysis bullosa“ (EB), auch beka

Frau Faccin, welche Chancen der Narrativen Medizin sehen Sie für Patienten mit seltenen Erkrankungen, Angehörige und natürlich auch Fachleute?

Für uns Patientinnen kann die narrative Medizin eines der wichtigsten Instrumente im Dialog mit dem medizinischen Personal sein.

Als Patientinnen haben wir oft einen langen und beschwerlichen Weg hinter uns, bevor wir eine endgültige Diagnose erhalten. Wir haben uns auf ungewohnte Therapien in Krankenhäusern eingelassen und Hilfe in spezialisierten Zentren weit weg von zu Hause gesucht. All dies hat uns geprägt und geformt. Dies hatte zudem einen starken Einfluss auf die Art und Weise, wie wir auf die Ärzte und die von ihnen vorgeschlagenen Behandlungen reagierten und mit ihnen interagierten.

Die narrative Medizin zielt in erster Linie darauf ab, eine Kommunikationsbrücke zwischen Ärztin und Patientin zu schaffen, die beide als Menschen gesehen werden, die ihre Lebensgeschichte zu erzählen haben. Wir Patientinnen sind nicht unsere Krankheit, sondern viel mehr. Unsere Erfahrungen in die Therapie einfließen zu lassen bedeutet, dass wir unsere Geschichten, unsere Ängste, aber auch unsere Ratschläge anhören, denn wir sind oft Expertinnen aus Erfahrung. Die narrative Medizin nimmt sich die Zeit und schafft Verständnis, um diese gemeinsame Basis zu finden und einen Weg der therapeutischen Beziehung zu beschreiten.

Zeit und Verständnis ist das, was wir Patientinnen mit einer seltenen Krankheit von den Akteuren des Gesundheitswesens am meisten wünschen. Die Krankenhäuser konzentrieren sich nur noch darauf, auf die häufigste Krankheit, Covid, zu reagieren, während die Betreuung von Menschen mit seltenen Krankheiten hinterherhinkt.